Körber-Preis für RUB-Neuroinformatiker von der Malsburg
Für das Projekt "Sensorische Segmentierung von Szenen - von Grundlagenforschung zu technischen Anwendungen", das Aufschluss über die Gehirnaktivität bei der sinnlichen Wahrnehmung geben und die Erkenntnisse für die Technik nutzbar machen soll, ist Prof. Dr. Christoph von der Malsburg (Institut für Neuroinformatik der RUB) gemeinsam mit vier weiteren Wissenschaftlern mit dem "Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2000" ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit 1,5 Millionen DM (750.000 Euro) dotiert und wird am 6./7. September 2000 in Hamburg feierlich übergeben. Die fünf Partner werden die Summe zu gleichen Teilen unter sich aufteilen.
Bochum, 08.08.2000
Nr. 208
RUB-Neuroinformatiker unter Körber-Preisträgern
Wie Nervenzellen synchron "feuern"
Die Technik lernt das Sehen von der Biologie
Für das Projekt "Sensorische Segmentierung von Szenen - von Grundlagenforschung zu technischen Anwendungen", das Aufschluss über die Gehirnaktivität bei der sinnlichen Wahrnehmung geben und die Erkenntnisse für die Technik nutzbar machen soll, ist Prof. Dr. Christoph von der Malsburg (Institut für Neuroinformatik der RUB) gemeinsam mit vier weiteren Wissenschaftlern mit dem "Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2000" ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit 1,5 Millionen DM (750.000 Euro) dotiert und wird am 6./7. September 2000 in Hamburg feierlich übergeben. Die fünf Partner werden die Summe zu gleichen Teilen unter sich aufteilen.
Gleichzeitiges Signal der Nervenzellen ordnet Eindrücke
Um uns in der großen, ungeordneten Menge von Sinneseindrücken, die unsere Umwelt ausmacht, zurechtzufinden, muss unser Gehirn segmentieren, d.h. ordnen und filtern. Die Aussagen eines Gesprächspartners auf einer Cocktailparty sind z. B. nur dann verständlich, wenn wir seine Stimme aus dem uns umgebenden Lärm herausfiltern. Ähnliches gilt fürs Sehen: Die zahllosen Formen und Farben einer Umgebung gruppiert unser Gehirn zu erkennbaren Objekten. Diese Ordnung gelingt wahrscheinlich dadurch, dass einzelne Nervenzellen, die gemeinsam etwas "erkannt" haben, gleichzeitig ein Signal abgeben; die Wissenschaftler nennen dieses Phänomen "zeitliche Bindung".
Ziel des Projekts: Die Natur messen, darstellen, nachahmen
Diese Gehirnaktivität näher zu erforschen und aus der Organisation des Gehirns für technische Anwendungen zu lernen ist Ziel des prämierten Projekts. Um letzte Zweifel an der zeitlichen Bindung zu beseitigen, werden Forscherteams um Prof. Dr. Wolf Singer (Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt) und Prof. Dr. Amiram Grinvald (Dominic Institute for Brain Research, Rehovot, Israel) zunächst die Nervenzellenaktivität bei sinnlichen Wahrnehmungen genau messen bzw. optisch darstellen. Prof. Dr. Randolf Menzel (Institut für Tierphysiologie und angewandte Zoologie, FU Berlin) widmet sich dem Geruchssinn der Biene: Er untersucht die Funktion und den Zusammenhang zwischen räumlicher und zeitlicher Nervenzellenaktivität im Gehirn. Die Wissenschaftler um Rodney Douglas (Institute for Neuroinformatics, Zürich) werden nach Nervenzellen-Vorbild analoge Schaltungen entwickeln. Die Bochumer Neuroinformatiker werden aus den Erkenntnissen ihrer Partner neue technische Lösungen entwickeln.
Künstliche Sehsysteme arbeiten wie natürliche
Seit kurzem erst reicht die Leistung erschwinglicher Rechner dazu aus, Modelle des Sehens auf natürlichen Bildern zu testen. Die Wissenschaftler werden nun ein neues Modell für den visuellen Segmentierungsprozess entwickeln, das direkt von realen, biologischen Strukturen ausgeht. Ein System aus Videokamera und Rechner soll entstehen, das natürliche Szenen zuverlässig und mit hoher räumlicher Auflösung segmentieren können wird. Das Programm soll Hinweise wie Bewegung, Farbe, Textur und Kanteninformation gleichermaßen berücksichtigen; ein entscheidender Fortschritt gegenüber herkömmlichen Systemen, die sich auf einheitliche Mechanismen beschränken.
Erkenntnisse fürs Sehen, Hören, Suchen, Sichern
Nicht nur neue Sehsysteme sind durch die erwarteten Erkenntnisse der Forscherteams denkbar, auch das "Cocktailpartyproblem" sieht dadurch seiner Lösung entgegen: Während es jungen Menschen nämlich leicht fällt, die Aussagen ihres Gesprächspartners aus dem umgebenden Stimmengewirr herauszufiltern, bereitet dies älteren Leuten oft Probleme. Herkömmliche Hörgeräte verstärken nur den gesamten Krach. Mit Hilfe der neuen Entwicklungen könnte es jedoch schon bald ein etwa westentaschengroßes Gerät geben, das dem Betroffenen die Segmentierungsarbeit abnimmt. Außerdem sind eine bessere Mensch-Maschine-Kommunikation, eine effektive Suche in digitalen Bilddatenbanken, die Steuerung von autonomen Fahrzeugen und neue Sicherheitssysteme denkbar. Erste Systeme dieser Art werden bereits getestet und angewendet.
Weitere Informationen
Dr. Rolf P. Würtz, Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-27994, Fax: 0234/32-14-210
Weitere Informationen: