Medizingeschichte als Entwicklungshilfe
Hamburg. Modernes technisches Gerät und die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung im Huckepack stoßen Ärzteteams aus Industrienationen in Entwicklungsländern oft auf Unverständnis und Ablehnung. Umgekehrt können
Entwicklungshelfer die traditionelle Medizin vor Ort nur schwer mit ihrem schulmedizinischen Wissen in Einklang bringen. Der Blick auf die Geschichte der Medizin in den Entwicklungsländern und ihre Erforschung im Rahmen der
Ethnomedizin könnte beiden Seiten vielleicht helfen.
Zwar gab es schon immer Vermischungen unterschiedlicher medizinischer Richtungen und längst nutzen auch viele traditionelle Heiler technisches Gerät wie Stethoskop und Spritze. Dennoch ist die Frustration groß, wenn
Ärzte aus Industrienationen ihre moderne Medizin an Orte bringen, wo weder Personal noch Gelder in ausreichender Menge vorhanden sind. "Es führt zu bemerkenswerten Umbrüchen im ärztlichen Selbstverständnis und der Qualität
der Versorgung, wenn zum Beispiel ungeschultes Personal plötzlich für Diagnosen und Therapien der Hochschulmedizin verantwortlich ist², sagt Dr. med. Walter Bruchhausen vom Medizinhistorischen Institut der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Die Medizingeschichte und speziell die Ethnomedizin, da ist der Wissenschaftler sicher, könnten durchaus zum Gelingen medizinischer Projekte in den Entwicklungsländern beitragen. Und zwar sowohl auf ökonomischer als
auch auf kultureller Ebene.
So untersucht der Medizinhistoriker zum Beispiel im ostafrikanischen Tanzania, welche Vorstellungen Kranke und ihre Sippen dazu bringen, sich entweder für den traditionellen Heiler oder aber das Krankenhaus zu
entscheiden. "Wer das versteht und zu beeinflussen weiß, kann Über- und Unterversorgung vermeiden.² Auf der 84. Jahrestagung der DGGMNT weist Bruchhausen insbesondere auf die Tendenz der Europäer hin, fremde Medizin
nicht als eigenständige Traditionen zu sehen, sondern lediglich als frühe Entwicklungsstufen einer allgemeinen Medizingeschichte.
Weitere Informationen:
Dr. med. Walter Bruchhausen
Medizinhistorisches Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn, Tel.: 0228/287 5004 Email:
walter.bruchhausen@ukb.uni-bonn.de
Weitere Informationen:
http://mpiwg-berlin.mpg.de/dggmnt/tagungen/tagung2001.html