Wenn geistig behinderte Menschen in eine Krise geraten
Krisenintervention bei geistig behinderten Menschen
Am Donnerstag, dem 15. November und am Freitag, dem 16. November 2001, findet an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine Fachtagung zum Thema Krisenintervention bei geistig behinderten Menschen statt. Bei den Experten herrscht große Übereinstimmung, dass die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen noch weiter vorangebracht werden muss. Daher ist es besonders wichtig, pädagogische Betreuungskonzepte zu entwickeln, die behinderten Menschen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Für den Umgang mit akuten Krisen bei geistig Behinderten fehlen solche Konzepte bislang. Auf der zweitägigen Fachtagung "Wenn geistig behinderte Menschen in eine Krise geraten..." sollen Konzepte zur Krisenintervention vorgestellt und konkrete Handlungsmöglichkeiten für die tägliche pädagogische Arbeit und für die Lebensbegleitung erarbeitet werden.
Die Tagung wird am 15.11. um 9:00 Uhr im Festsaal Kröllwitzer Str. 44 in Halle (Saale) eröffnet. Veranstalter sind der Landesverband Lebenshilfe Sachsen-Anhalt e.V. und das Institut für Rehabilitationspädagogik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Es werden ca. 600 Teilnehmer erwartet.
"Behindertenarbeit entwickelt sich mehr und mehr zur Menschenrechtsfrage," sagt Georg Theunissen, Professor am Institut für Rehabilitationspädagogik der Martin-Luther-Universität. 1991 gab es in den Neuen Ländern etwa 9.000 hospitalisierte Menschen, die in ungeeigneten Großeinrichtungen, Psychatrien oder Heimen lebten - 2.300 Betroffene davon allein in Sachsen-Anhalt. In den letzten Jahren konnte die Zahl dieser fehlplatzierten Menschen in Sachsen-Anhalt auf 500 reduziert werden.
"Einerseits ist dies eine sehr erfreuliche Entwicklung", so Theunissen, "andererseits wurde bei der Enthospitalisierung geistig Behinderter in den Neuen Ländern eine Riesenchance verpasst." Die meisten geistig behinderten Menschen leben heute in speziellen Einrichtungen mit 40 oder mehr Bewohnern. "Legt man internationale Maßstäbe an, so kann das Ergebnis der Enthospitalisierung nicht zufriedenstellen.
Die Einrichtungen, in denen Behinderte untergebracht werden, sind zu groß. Neben der Integration in die Gesellschaft ist das Hauptziel, geistig behinderten Menschen, ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Das kann eigentlich nur im häuslichen Wohnumfeld sicher gewährleistet werden", so Theunissen. International üblich sind heute Wohngruppen mit höchstens fünf Personen. In Deutschland ist man davon noch weit entfernt. "Unser Ziel ist es daher, die menschenwürdige Integration in ein regionales Lebensumfeld weiter voranzubringen." Diese Form der Integration schafft jedoch neue Probleme für die Betreuung: "Eigentlich haben wir uns erst in den letzten Jahren mit den akuten Alltagskrisen von Behinderten befasst. Weder in der Theorie noch in der Praxis wurden systematisch Konzepte für die Krisenintervention entwickelt", sagt Theunissen. Viele Herausforderungen im Umgang mit geistig Behinderten sind offensichtlich dadurch entstanden, dass Unterbringung in geschlossenen Anstalten und starke Medikamentierung den heutigen Auffassungen von Menschenwürde nicht mehr entsprechen.
Kontakt:
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Rehabilitationspädagogik
06099 Halle (Saale)
Prof. Dr. Georg Theunissen
Tel: (03 45) 5 52 37 55
Fax: (03 45) 5 52 70 49
E-Mail: theunissen@paedagogik.uni-halle.de