Neue Ausgabe des DISKURS: Bunte Gesellschaft - braune Gewalt
Solange sich Wissenschaft nach wie vor schwertut, verläßlich zu bestimmen, was eine Gesellschaft zusammenhält und was sie auseinandertreibt - etwa wieviel Zuwanderung und wieviel "Fremdheit" sie verträgt -, wird man weiter danach fragen müssen, was wen warum dazu bringt, der "bunten Gesellschaft" seine Feindschaft zu erklären. Was weiß man etwa, wenn jemand seine Fremdenfeindlichkeit damit begründet, daß "Ausländer" "Deutschen" die Arbeitsplätze wegnehmen und das soziale System mißbrauchen? Will man Selbsterklärungen von Befragten schon nicht trauen, mag man aber auch die öffentlich kursierenden Großantworten wie "Arbeitslosigkeit", "Werteverfall" und "zu viel Fremde im Land" nicht unbedingt als Erklärungen mit Gütesiegel durchgehen lassen, so bleibt nicht viel anderes übrig, als im Spektrum von Individuum und Gesellschaft weiter, gegebenenfalls auch "tiefer" zu forschen. Einen solchen Versuch, unbekannteren Seiten von Fremdenfeindlichkeit - i.e. der bislang vernachlässigten Rolle der Emotionen - auf die Spur zu kommen, unternehmen die Beiträge im THEMA - theoretisch und praktisch.
DISKURS 2/2001
editorial
Hans Lösch
Zu diesem Heft
thema
Bunte Gesellschaft - braune Gewalt
Klaus Wahl / Helmut Willems
Unbekanntere Seiten von Fremdenfeindlichkeit und wie man damit umgeht.
Neuere Forschungsbefunde und Praxisanregungen
Klaus Wahl / Martina Gaßebner / Christian Peucker
Fremdenfeindliche Straftäter.
Von A wie "Alkohol" bis Z wie "Zecken klatschen"
Als Hauptverdächtige von Fremdenfeindlichkeit wurden und werden verhandelt: Desintegration, Arbeitslosigkeit, Familie, Sozialmilieu und Werteverfall. Ohne diesen Variablen umstandslos einen Erkärungsanspruch absprechen zu wollen, arbeiten die Autor(inn)en - gestützt auf eigene empirische Studien - die bislang vernachlässigte Rolle der Emotionen, i.e. früherer bzw. tieferliegender Dimensionen der Motivation zu Fremdenfeindlichkeit heraus.
Rainer Dollase
Fremdenfeindlichkeit verschwindet im Kontakt von Mensch zu Mensch.
Zur Reichweite der Kontakthypothese
Gegen die Behauptung, Fremdenfeindlichkeit entstehe "in der Mitte der Gesellschaft" und müsse daher auch "gesamtgesellschaftlich" besiegt werden, plädiert der Autor für die Verantwortung des einzelnen, für die Kontakte von Mensch zu Mensch. Wenn es gelingt, neben herkunftsfixierten Identitätsbildungen neue, selbstgewählte Identäten wie "meine Schulklasse", "meine Clique" auszubilden, erhöhen sich die Chancen, Vorurteile, Fremdheit und Feindseligkeiten in multiethnischen Gruppen abzubauen.
Petra Wagner
Kleine Kinder - keine Vorurteile?
Vorurteilsbewußte Pädagogik in Kindertageseinrichtungen
Kindergartenkinder machen nicht nur Unterschiede aus, sondern stellen auch fest, daß diese in ihrer Umwelt ständig bewertet werden. Der Beitrag reflektiert Erfahrungen aus dem Projekt KINDERWELTEN und zeigt auf, wie auf der Grundlage des Situationsansatzes Vorurteile und Stereotypen im Kinderalltag angegangen werden können.
Markus Kowalzyck
Trainieren gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt.
Erfahrungen aus einem Praxismodell
Der Verein "Horizonte e.V." richtet sich an gefährdete und bereits rechtsextrem eingestellte Jugendliche mit dem Ziel, bei ihnen Ängste und Fremdenfeindlichkeit abzubauen wie auch zur Stärkung von demokratischem Bewußtsein und Toleranz beizutragen. Anhand ausgewählter Beispiele wird dargelegt, wie der (Um-)Weg über Affekte und Emotionen dazu beitragen kann, Jugendliche für eine konstruktive und für den einzelnen gewinnbringende Zusammenarbeit zu gewinnen.
Beate Winkler
Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC)
Daß interkulturelle Konflikte und Fremdenfeindlichkeit nicht nur bundesrepublikanisch geschrieben werden, machen Aktivitäten auch der Europäischen Union deutlich. Beate Winkler, Leiterin der EUMC, informiert über Ziele und das Aufgabenspektrum der Beobachtungsstelle in Wien.
spektrum
Andreas Walther
Hauptsache unterkommen?
Ausgrenzungsrisiken beim Übergang junger Erwachsener in die Arbeit
Das europäische Forschungsnetzwerk "Misleading Trajectories" ist in einer Vergleichsstudie von acht europäischen Ländern der Frage nach dem Verhältnis von Arbeitsmarktintegration und sozialer Integration Jugendlicher nachgegangen. Der Autor resümiert die empirischen Befunde des Projekts und macht deutlich, daß bei allen strukturellen Unterschieden im Übergang in die Arbeit in den einzelnen Ländern ähnliche Dimensionen institutioneller Ausgrenzungsrisiken anzutreffen sind.
Paul Mecheril
Pädagogiken natio-kultureller Mehrfachzugehörigkeit
Vom "Kulturkonflikt" zur "Hybridität"
In Auseinandersetzung mit identitäts- und kulturtheoretischen Vorstellungen der Kulturkonflikthypothese plädiert der Autor für eine Rehabilitation des Uneinwertigen und "Unreinen", des In- und An-sich-Fragmentierten. Den analytischen Rahmen hierzu bildet das Konzept der "Hybridität". Vor dem Hintergrund biografischer Auskünfte skizziert der Beitrag in pädagogisch-praktischer Absicht Möglichkeiten, wie sich Individuen unter Bedingungen natio-kultureller Mehrfachzugehörigkeit handlungsfähig positionieren können.
trends
H. Gerhard Beisenherz
Kinderarmut als verschämte Thematisierung sozialer Ungleiheit
Was lehrt ein Jahrzehnt öffentlicher Thematisierung von Kinderarmut angesichts einer nahezu perfekten Immunisierung der Politik gegenüber den dadurch aufgeworfenen Problemen? Der Autor nimmt Armutszahlen und -quoten zum Anlaß, die sozialwissenschaftliche Untersuchung von Armut selbst als Teil des gesellschaftlichen Definitionsprozesses des Phänomens durchsichtig zu machen. Mit Blick auf die Folgen des Globalisierungsprozesses arbeitet der Autor spezifische Exklusionsriken von Kindern heraus und diskutiert Elemente einer Sozialpolitik gegen Ausgrenzung.
-------------
Studien zu Kindheit, Jugend, Familie und Gesellschaft
München: DJI Verlag, ISSN 0937-9614
drei Hefte jährlich
Jahresabo: DM 57,- (zuzügl. Versandkosten)
Einzelhefte DISKURS: DM 24,--
Redaktion: Hans Lösch, Deutsches Jugendinstitut, email: loesch@dji.de
Alleinvertrieb: Verlag Leske + Budrich: Postfach 300551, 51334 Leverkusen, Tel: 02171/4907-0, Fax: 02171/4907-11;
email:Lesbudpubl@aol.com, Website:www.leske-budrich.de