Ärzte und Patienten einig: Qualität der medizinischen Versorgung unbefriedigend
Neuer Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung befragt regelmäßig Versicherte und Mediziner
Gütersloh, 11. Juli 2002. Über die Hälfte der in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Bürger halten die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland für verbesserungsbedürftig. Fast 80 Prozent der Ärzte sind der Ansicht, dass die Güte der Patienten-Behandlung sehr unterschiedlich ist. Zudem sind 54 Prozent der Mediziner davon überzeugt, dass die Qualität der Behandlungen nicht dem neuesten medizinischen Standard entspricht. Dies sind Ergebnisse einer erstmals veröffentlichten repräsentativen Bevölkerungs- und Ärzte-Befragung der Bertelsmann Stiftung. "Qualitätsmängel in der medizinischen Versorgung sind also nicht nur subjektive Eindrücke von Patienten, sondern werden auch von Ärzten bestätigt", sagt Jan Böcken, Experte für Gesundheitspolitik bei der Bertelsmann Stiftung. "Daher ist es unbedingt notwendig, dass die fachlichen Leistungen von Ärzten vergleichbar und öffentlich gemacht werden."
Der Gesundheitsmonitor zeigt, dass der Patient von heute ein mündiger Patient sein möchte: 59 Prozent aller Befragten wollen nach Diagnose und Beratung gemeinsam mit ihrem Arzt entscheiden, welche Behandlung erfolgen soll. Immerhin 14 Prozent möchten nach einer Beratung durch ihren Hausarzt die Entscheidung alleine treffen können. Die Ärzte sehen dies kritisch: Zwar meinen 77 Prozent der befragten Mediziner, dass der Patient bei wichtigen Entscheidungen das Recht haben sollte, selbst zu bestimmen. Dennoch sind 52 Prozent der Hausärzte davon überzeugt, dass die Beteiligung an Entscheidungen über Behandlungen eine zusätzliche Belastung für Patienten ist. "Bisher spielt der Patient als Partner in der Fachdiskussion von Ärzten, Versicherungsvertretern und Wissenschaftlern eine untergeordnete Rolle. Dabei ist er derjenige, der das Gesundheitswesen bezahlt. Daher muss der mündige Patient zum Leitbild werden", sagt Böcken.
Obwohl Deutschland mit zehn Prozent des Bruttoinlandproduktes im internationalen Vergleich mehr für sein Gesundheitswesen ausgibt als die meisten anderen Länder, ist die medizinische Versorgung nur mittelmäßig. "Trotz der sehr unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens haben es die Interessensverbände der Ärzte, die Pharmaindustrie und die Gerätehersteller geschafft, die Versicherten von einem generellen Ressourcenmangel im Gesundheitswesen zu überzeugen", sagt Jan Böcken. Laut Gesundheitsmonitor glauben 54 Prozent der Befragten, dass es zuwenig Geld für die medizinische Versorgung gibt. Nur 12 Prozent sind der Ansicht, dass zuviel Geld ausgegeben wird. Bevölkerung und Ärzte schätzen die Finanzierungssituation zudem sehr unterschiedlich ein: 61 Prozent der Bevölkerung, jedoch nur 42 Prozent der Ärzte finden die Krankenkassenbeiträge zu hoch.
Der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung befragt repräsentativ zweimal jährlich Versicherte und einmal im Jahr Ärzte zu den ihrer Meinung nach wichtigsten Themen bei der Reform des Gesundheitswesens in Deutschland. Durch die regelmäßigen Befragung können erstmals in Deutschland Veränderungen im Gesundheitswesen über einen Zeitverlauf festgemacht werden. Dadurch kann abgeleitet werden, wie auf gesundheitspolitische Debatten oder Reformen reagiert wird. Die ausführliche Studie erscheint im November.
Rückfragen an: Jan Böcken, Telefon: 0 52 41 / 81-81 462
Melanie Schnee, Telefon: 0 52 41 / 81-81 524
Weitere Informationen:
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