Bürgersteuer soll für mehr Transparenz sorgen
Bertelsmann Stiftung fordert umfassende Gemeindefinanzreform
Berlin/Gütersloh, 11. Februar 2003. Mit einer Kombination aus einer kommunalen Bürgersteuer und einer lokalen Wirtschaftssteuer als Herzstück einer Gemeindefinanzreform will die Bertelsmann Stiftung der Finanzkrise in den Kommunen begegnen. Dazu stellt sie heute in Berlin ein Positionspapier vor. Ergänzend fordert die Bertelsmann Stiftung eine Modernisierung der Grundsteuer. Die Vorschläge der Stiftung gehen deutlich über die Reformvorstellungen hinaus, die derzeit in der Kommission der Bundesregierung beraten werden.
Die von der Bertelsmann Stiftung geforderte Bürgersteuer soll die 15 Prozent der Einkommensteuer ersetzen, die den Kommunen bisher als Zuweisung des Landes zufließen. Mit der neuen Steuer muss der Bürger nicht mehr zahlen als vorher, kann dafür aber erstmals auf seinem Steuerbescheid sehen, wie viel von seiner Einkommensteuer direkt vor Ort ausgegeben wird. Nach Meinung der Bertelsmann Stiftung schafft die Bürgersteuer mehr Transparenz und steigert dadurch die Effizienz kommunalen Handelns. Transparenz befähigt die Bürger, sich zu beteiligen, wenn über die Verwendung von Steuergeldern auf lokaler Ebene entschieden wird.
Die Bürgersteuer ist im Vorschlag der Stiftung nur in Verbindung mit grundsätzlichen Änderungen bei der Gewerbe- und der Grundsteuer realisierbar. Um mehr Steuergerechtigkeit zu erzielen, soll die Gewerbesteuer abgeschafft und durch eine lokale Wirtschaftssteuer ersetzt werden, die alle wirtschaftlich Tätigen angemessen an der Finanzierung der von ihnen in Anspruch genommenen kommunalen Infrastruktur beteiligt, also auch Freiberufler und Landwirte. "Je breiter die Bemessungsgrundlage ist, desto niedriger können die Steuersätze sein", erläutert Prof. Marga Pröhl von der Bertelsmann Stiftung. Die Grundsteuer A für Landwirte soll entfallen, die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer B muss aktualisiert werden.
Zu einer wirksamen Gemeindefinanzreform gehört nach Ansicht der Experten außerdem das sogenannte Konnexitätsprinzip, d.h.: Wer bestimmte Aufgaben bestellt, muss sie auch bezahlen. Danach dürfen Entscheidungen von Europäischer Union, Bund und Ländern, die sich auf die Ausgaben der Kommunen auswirken, nur bei gleichzeitiger Klärung der Finanzierungsfrage getroffen werden. Die Kommunen sollten keine Kosten übernehmen, deren Höhe sie politisch nicht beeinflussen können. Ferner fordert das Positionspapier, dass Aufgaben, die Bund und Länder auf die Gemeinden übertragen haben, nur in ihrer Grundstruktur einheitlich geregelt werden dürfen. Bei der Ausführung müssen den Kommunen deutlich erweiterte Handlungsspielräume gewährleistet werden.
Von den Reformideen, die in der Kommission der Bundesregierung beraten werden, unterscheidet sich das Konzept der Bertelsmann Stiftung vor allem durch seine Reichweite. Während die Gespräche in der Kommission sich zumeist auf die Aspekte Gewerbesteuer sowie Sozial- und Arbeitslosenhilfe beschränken, schlägt die Bertelsmann Stiftung eine umfassendere Reform vor. "Halbherzige Ansätze können weder den Verfall kommunaler Infrastruktur bremsen noch die lokale Politik wieder handlungsfähig machen. Ziel einer Gemeindefinanzreform muss nicht nur sein, die strukturelle Finanzkrise zu überwinden, sondern auch mehr Transparenz und lokale Demokratie zu ermöglichen", sagt Prof. Marga Pröhl.
Zum Expertenteam, das das Positionspapier der Bertelsmann Stiftung erarbeitet hat, gehören: Prof. Dr. Gisela Färber, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaft Speyer (u.a. Mitglied der Rürup Kommission), Dr. Annette Fugmann-Heesing, Finanzministerin Hessen a.D. und Finanzsenatorin Berlin a.D., Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses sowie Prof. Dr. Martin Junkernheinrich, Universität Trier (u.a. Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Gemeindefinanzkommission der Bundesregierung).
Über die Bertelsmann Stiftung:
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