Kasseler und Stockholmer WissenschaftlerInnen untersuchen Gen-Interpretation
Wann, warum und vor allem wie können Gene verschiedene Informationen abgeben? Dieser Frage gingen Wissenschaftler der Universitäten Kassel und Stockholm nach und sind dem ADAR (adenosinedeaminase) genannten genetischen Interpretationsmechanismus ein bisschen mehr auf die Schliche gekommen. In Zusammenarbeit mit den BiochemikerInnen Prof. Dr. Marie Öhmann und der Doktorandin Annika Källmann von der Universität Stockholm fanden der Kasseler Genetiker Prof. Dr. Wolfgang Nellen und Dipl.-Biol. Yvonne Klaue vom Zentrum für Nanostrukturwissenschaften (CINSaT) der Universität Kassel jedoch überraschende Unterschiede zwischen richtigen und falschen Aktionen von ADAR.
Kassel. Dass Bilder, Theaterstücke und Bücher interpretiert werden, ist aus der Schule mehr oder weniger leidvoll bekannt. Interpretationen eines Musikstücks können sehr unterschiedliche Gefühle zum Ausdruck bringen, die von Gesetzestexten kann zu den unterschiedlichsten Urteilen führen. Dass aber auch Gene unterschiedlich interpretiert werden können, erscheint noch beunruhigender: Wann, warum und vor allem wie können Gene verschiedene Informationen abgeben? Dieser Frage gingen Wissenschaftler der Universitäten Kassel und Stockholm nach und sind dem ADAR (adenosinedeaminase) genannten genetischen Interpretationsmechanismus ein bisschen mehr auf die Schliche gekommen.
Wir erinnern uns schwach: da war doch dieser langweilige DNA Code aus G, A, T und C, der bestimmt, welche Blutgruppe wir haben, ob wir eine Erbkrankheit haben oder nicht und vielleicht sogar, wie gut wir denken können. Die Gene (DNA) werden abgelesen und es wird eine Kopie aus RNA, einer sehr ähnlichen chemischen Verbindung hergestellt. Die Information auf der RNA wird dann entsprechend der Buchstabenfolge in eine Eiweißkette übersetzt. Das erscheint eindeutig. Ein A ist ein A und ein G ist ein G oder nicht?
Tatsächlich gibt es "molekulare Maschinen", die uns ein A für ein G vormachen können. Das hat zur Folge, dass eine andere Eiweißkette hergestellt wird. Das Gen kann so unterschiedlich "interpretiert" werden und das hat Auswirkungen! Besonders im Gehirn ist es unbedingt erforderlich, dass eine Reihe von Genen unterschiedlich interpretiert wird. Beide Formen, Original und Interpretation sind notwendig, damit der "Kopf richtig funktioniert". Bei Mäusen hat man gefunden, dass ein Verlust der "Interpretationsmaschine", die den wissenschaftlichen Namen ADAR trägt, zum Tode führt.
In der menschlichen Erbinformation, gibt es Millionen von As, woher "weiß" ADAR welche davon sinnvoll "uminterpretiert" werden dürfen und welche nicht? Es sind nämlich nur ganz bestimmte wenige, vielleicht 20 oder 30, bei denen das passiert.
Der Kasseler Genetiker Prof. Dr. Wolfgang Nellen und Dipl.-Biol. Yvonne Klaue vom Zentrum für Nanostrukturwissenschaften (CINSaT) der Universität Kassel konnten die Interpretationsmaschine jetzt "in flagranti" beobachten und abbilden. Im Reagenzglas, herausgelöst aus dem Zusammenhang der Zelle, kann ADAR noch immer die richtigen Stellen erkennen, die uminterpretiert werden sollen, aber die Maschine macht viel mehr Fehler als im lebendigen Organismus.
In Zusammenarbeit mit den BiochemikerInnen Prof. Dr. Marie Öhmann und der Doktorandin Annika Källmann von der Universität Stockholm fanden die Wissenschaftler jedoch überraschende Unterschiede zwischen richtigen und falschen Aktionen von ADAR. Im Rastersondenmikroskop untersuchten sie einzelne Moleküle und fanden, dass ADAR, nachdem es seine Arbeit getan hat, an den richtigen Stellen sitzen bleibt, während es die falschen sehr schnell wieder verlässt. Außerdem konnten Positionen in der genetischen Information gefunden werden, an denen sich die Interpretationsmaschine niederlässt, aber nichts tut.
Die Wissenschaftler folgern, dass ADAR alleine seinen Arbeitsplatz zwar ganz gut, aber nicht ausreichend genau erkennt und deshalb weitere, bisher unbekannte Hilfsmittel benötigt, um die notwendigen Veränderungen an der genetischen Information vorzunehmen. Diese erforderlichen Hilfsmittel können, wenn sie defekt sind, natürlich die Ursache menschlicher Erkrankungen sein, die bisher noch nicht verstanden sind.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Biochemie und Nanostrukturwissenschaften hat eine neue Spur gelegt, um diese bemerkenswerte Erweiterung des genetischen Codes besser zu verstehen.
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