Experimente mit Hefeteig: Schüler sollen Wissenschaft verstehen
Offenbar können Kinder schon in der Grundschule eine ganze Menge über die Eigenheiten der Naturwissenschaften lernen. Zu diesem Zwischenergebnis kommt eine Studie des Physikdidaktikers PD Dr. Ernst Kircher von der Uni Würzburg, der an einem bundesweiten Forschungsprojekt mitarbeitet. Die Untersuchungen führen er und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter Patricia Grygier und Johannes Günther an Grundschulen in Würzburg durch.
Warum will man überhaupt wissen, ob Kinder schon in der Grundschule ein Wissenschaftsverständnis entwickeln können? Laut Dr. Kircher soll damit unter anderem eine Hypothese geklärt werden, die von führenden Erziehungswissenschaftlern vertreten wird und die von weitreichendem schulischem Interesse ist: Ihr zufolge können nämlich Kinder die Naturwissenschaften besser verstehen, wenn sie zuvor wichtige charakteristische Züge dieser Wissenschaften begriffen haben. Das wurde bisher bei Grundschülern noch nicht wissenschaftlich untersucht.
Für die Bildungspolitik ist der Ausgang dieser Untersuchungen interessant. Schließlich haben Studien wie TIMSS und PISA gezeigt, dass viele deutsche Schüler nur wenig an Naturwissenschaften interessiert sind, dass es ihnen schwerfällt, naturwissenschaftliche oder mathematische Probleme zu durchdringen, anspruchsvollere Aufgaben zu lösen und ihr Wissen auf neue Situationen anzuwenden.
Darum hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahr 2000 das Schwerpunktprogramm "Bildungsqualität von Schule" initiiert, das auf sechs Jahre angelegt ist und an dem 23 Projektgruppen aus ganz Deutschland teilnehmen. Dr. Kircher arbeitet dabei zusammen mit der Psychologin Prof. Dr. Beate Sodian (früher Uni Würzburg, jetzt Uni München) an dem Projekt "Vermittlung von Wissenschaftsverständnis in der Grundschule".
Bislang hat das Projekt ergeben, dass zwischen den Trainings- und Kontrollklassen innerhalb von nur zwei bis drei Wochen deutliche Unterschiede erreicht werden können. Große Fortschritte machten die geförderten Schüler beispielsweise bei Aufgaben aus dem Bereich der Logik des Testens von Hypothesen.
In den Trainingsklassen wurden spezielle Unterrichtseinheiten eingesetzt, beispielsweise zum Thema "Warum geht der Brotteig auf?". Bevor sie mit Hefe und weiteren Zutaten experimentierten, mussten die Schüler Versuchspläne entwickeln zur Frage, welches die notwendigen Zutaten für einen Hefeteig sind. Vor allem aber wurde der Sinn von Experimenten diskutiert und darüber nachgedacht, warum Wissenschaftler Versuche durchführen und wie sie dabei auf immer tiefer gehende Probleme stoßen.
Dr. Kircher: "Jetzt stehen wir vor der wichtigen Studie über die Auswirkungen des 'Wissenschaftsverständnisses' auf das Lernen der Naturwissenschaften." Sollte die zu prüfende Hypothese positiv ausfallen, würde dieses Ergebnis nicht nur beim Sachunterricht in der Grundschule Änderungen in den Lehrplänen und bei der Lehrerbildung nötig machen.
Untersucht wurde auch, ob die Grundschullehrer ein adäquates Wissenschaftsverständnis besitzen. Dabei ergab sich in Unterfranken ein differenziertes Bild, das Anlass war für eine weitere Studie im Rahmen von Lehrerfortbildungen. Hier wurde deutlich, dass sich die wissenschaftstheoretischen Überzeugungen von Grundschullehrern auch dann ändern lassen, wenn die Lehrerausbildung zeitlich weit zurück liegt. Dr. Kircher schätzt die Qualität der von den Lehrern in der Fortbildung entwickelten Unterrichtsmaterialien so hoch ein, dass diese voraussichtlich 2004 in einem Buch "Vermittlung von Wissenschaftsverständnis in der Grundschule" veröffentlicht werden.
Weitere Informationen: PD Dr. Ernst Kircher, T (0931) 888-5785, E-Mail: kircher@physik.uni-wuerzburg.de