1. Aalener Sinfonie uraufgeführt
Mit großem Applaus wurde die Uraufführung der 1. Aalener Sinfonie in der überfüllten Aula der Fachhochschule Aalen bedacht. Das Aalener Sinfonieorchester brachte die etwa halbstündige Sinfonie von Siegfried Liebl unter der Leitung von Stephan Kühling virtuos dar. Ministerpräsident Erwin Teufel zeigte sich äußerst beeindruckt von der Darbietung.
Die Sinfonie bündelt melodische Versatzstücke zu einer stehenden Welle aus ruhigen und besinnlichen Passagen, die periodisch mit stürmischen und impulsiven Akkorden wechseln. Die leichte, spielerisch-sprunghafte Melodie des ersten Satzes wird spannungsreich von immer schnellerem Violinenspiel angetrieben, bis sich das Motiv des Satzes auf dem Rücken des Wellenberges entlädt und fröhliche Posaunenklängen den behaglichen Abstieg zum heiteren Flötenspiel einleiten.
Das Stakkato des voranpreschenden Taktstockes manifestiert sich als musikalische Allegorie auf die maschinelle Automatisierung der Technik, zu der sich unvermittelt die träumerische Fantasie einer wissenschaftlichen Vision gesellt. Die in tonale Blöcke gepackten harten Fakten wissenschaftlicher Erkenntnis bettet Liebl in weiche Molltöne, die in chromatischen Halbtonschritten die Strenge des Denkens zum schrankenlosen Spekulieren verlocken. Logik und Kreativität stehen hier in einem sich bedingenden Spannungsverhältnis, das im Schlussakkord nicht aufgelöst, sondern bestenfalls unterbrochen wird. Der schwingende Rhythmus führt den Zuhörer am Ende in eine Endlosschleife zur Wiederaufnahme des Anfangsmotivs und bildet Wissenschaft so als einen endlosen, in sich geschlossenen Kreislauf ab, dessen Grundthema nahezu beliebig variiert werden kann.
In dieses Bild des wissenschaftlichen Prozesses als logisch-spekulative Selbstbezugnahme, die ihre Autonomie in allen Zweigen und Varianten bestärkt, fügen sich die zahlreichen Zitate der Wiener Klassik bestens, die Liebl in seine Sinfonie eingeflochten hat. Sie erhalten im Bilde der klanglichen Umsetzung eines wissenschaftlichen Lehrbetriebs den Status gelehrsamer Fußnoten eines akademischen Kompendiums. Schlag nach bei Beethoven! Eine Aufforderung, die etwas von der drückenden Last einer Hausaufgabe vor der Diplomprüfung hat, jedoch aufgefangen wird vom Plauderton der unmittelbar zugänglichen Melodien. So gelingt es Liebl, den Facettenreichtum eines Lehrbetriebs an einer Hochschule kompositorisch einzufangen, der das unbefangene Treiben der Studierenden im Hörsaal ebenso umfasst wie das würdevolle Auftreten eines Professors in demselben, das mit dem majestätischen Klang der Celli eindrücklich angekündigt wird.
Möglich, dass sich die Assoziationen zum Hochschulbetrieb aufdrängen, weil die Sinfonie an der Fachhochschule uraufgeführt wurde. Doch auch die strenge Symmetrie der Sätze, Akkorde und Noten legt ein wissenschaftliche Vorgehen more geometrico nahe. Liebls Komposition erhält dadurch dir radikale Struktur eines Notenkalküls, dessen Melodien quae Ableitungen gezwungenermaßen in den engen Grenzen der Prämissen quae Tonarten bleiben. Überraschende und emanative Wendungen sind daher ausgeschlossen. Die Komposition ist derart perfektioniert, dass sie sich sehr glatt anhört, so dass die eingestreuten Zitate fast wie melodiöse Sollbruchstellen wirken, die den glatten Hörfluss unterbrechen - wie wissenschaftliche Fußnoten eben. Gerade deshalb wirkte Liebls 1. Aalener Sinfonie in der Fachhochschule Aalen so authentisch.