Forscher beobachten wachsende Nanodrähte live
Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist es gelungen, das Wachstum winziger Drähte aus Galliumarsenid live zu verfolgen. Die Erkenntnisse führen nicht nur zu einem besseren Verständnis des Wachstums, sondern sie bieten auch Ansätze, zukünftig Nanodrähte mit speziellen Eigenschaften für bestimmte Anwendungen maßzuschneidern. Galliumarsenid ist ein breit verwendeter Halbleiterwerkstoff, der in Infrarotfernbedienungen, in der Hochfrequenztechnik für Handys, für die Umwandlung von elektrischen Signalen in Licht für Glasfaserkabel und auch für Solarzellen in der Raumfahrt eingesetzt wird.
Die Ergebnisse stellten die Forscher im Fachblatt „Nano Letters“ vor.
Für die Herstellung der Drähte nutzten die Wissenschaftler den selbstkatalysierenden Vapor-Liquid-Solid-Prozess (VLS-Prozess). Dabei werden winzige flüssige Galliumtröpfchen auf einen rund 600 Grad Celsius heißen Siliziumkristall aufgebracht. Danach wird dieser
Wafer mit gerichteten Strahlen aus Galliumatomen und Arsenmolekülen bedampft, die sich in den Galliumtröpfchen auflösen. Nach einer gewissen Zeit beginnen unterhalb der Tröpfchen Nanodrähte zu wachsen. Die Galliumtröpfchen wirken hierbei als Katalysator für das Längenwachstum der Drähte. „Dieser Prozess ist zwar recht etabliert, bisher lässt sich die Kristallstruktur so hergestellter Nanodrähte allerdings noch nicht gezielt steuern. Um dies zu erreichen, müssen erst die Details des Wachstums verstanden werden“, betont Ko-Autor Ludwig Feigl vom KIT.
Für ihre Untersuchungen verwendete die Gruppe eine mobile, speziell für Röntgenuntersuchungen entwickelte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell unterstützte Versuchskammer des Instituts für Photonenforschung und Synchrotronstrahlung (IPS) am KIT. Bei den Untersuchungen an der Forschungslichtquelle PETRA III des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) machten die Forscher im Minutentakt Röntgenaufnahmen, mit denen sie gleichzeitig die
Struktur und den Durchmesser der wachsenden Nanodrähte bestimmten. Ergänzend dazu vermaßen sie die fertiggestellten Nanodrähte mit einem Elektronenmikroskop. „Wir haben herausgefunden, dass für das Wachstum der Nanodrähte nicht nur der VLS-Prozess verantwortlich ist, sondern auch eine zweite Komponente, die wir in diesem Experiment erstmals direkt beobachten und quantifizieren konnten. Dieses sogenannte Seitenwand-Wachstum lässt die Drähte zusätzlich in die Breite wachsen“, erklärt Philipp Schroth. Außerdem werden im Laufe des Wachstumsprozesses die Galliumtröpfchen durch das fortwährende Aufdampfen von Gallium kontinuierlich größer. Das hat einen weitreichenden Effekt: „Mit der Tröpfchengröße ändert sich der Kontaktwinkel zwischen den Tröpfchen und der Oberfläche der Drähte. In bestimmten Fällen führt das dazu, dass der Draht plötzlich in einer anderen Kristallstruktur weiterwächst“, sagt Feigl. Diese Änderung ist für Anwendungen wichtig, da die Struktur und die Form der Nanodrähte große Auswirkungen auf die Materialeigenschaften haben.
Originalveröffentlichung in Nano Letters:
Radial Growth of Self-Catalyzed GaAs Nanowires and the Evolution of the Liquid Ga-Droplet Studied by Time-Resolved in situ X‐ray Diffraction; Philipp Schroth, Julian Jakob, Ludwig Feigl, Seyed Mohammad Mostafavi Kashani, Jonas Vogel, Jörg Strempfer, Thomas F. Keller, Ullrich Pietsch, and Tilo Baumbach; „Nano Letters“, 2018; DOI: 10.1021/acs.nanolett.7b03486
Bildunterschrift: Bild 1: Nadel-Wald: Nanodrähte auf einem Siliziumträger, aufgenommen im DESY
NanoLab. (Bild: DESY, Satishkumar Kulkarni/Thomas Keller)
Bild 2: Untersuchungsprinzip: Auf einem Siliziumträger wachsen durch den Beschuss von Gallium-Tröpfchen mit Gallium und Arsen kleine dünne Nanodrähte. Das Wachstum lässt sich mit Röntgenstrahlung (X-ray) live verfolgen. Abschließend wurden die Nanodrähte mit dem Elektronenmikroskop untersucht (Hintergrund). (Bild: Philipp Schroth, KIT)
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