Wenn der Staat Menschen für klinische Versuche missbraucht
Medizinhistorische Tagung in Heidelberg befasst sich mit medizinischen Experimenten im 20. Jahrhundert
Was dürfen Wissenschaftler in klinischen Studien, was haben die teils katastrophalen Erfahrungen der Medizingeschichte gelehrt? Wie sah der Alltag des experimentellen medizinischen Forschens in Deutschland und anderen Ländern im vergangenen Jahrhundert aus? Am 9./10. Oktober 2003 veranstaltet das Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg eine Tagung, die sich unter dem Titel "Man, Medicine and the State: The Human Body as an Object of Government Sponsored Research, 1920-1970" um eine vergleichende internationale Perspektive dieses brisanten Themas bemüht.
Im Zentrum der Tagung stehen Studien an Versuchspersonen, die durch die Notgemeinschaft bzw. die Deutsche Forschungsgemeinschaft aber auch durch Wehrmacht und Luftwaffe des NS-Staates gefördert wurden. In den Vorträgen internationaler Wissenschaftler wird zum Teil erstmals deutlich, in welchem Umfang der Staat - vermittelt durch die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den Reichsforschungsrat, aber auch durch seine militärischen Institutionen - in verbrecherischer Weise Besitz von Probandenkörpern ergriffen hat, um diese für vermeintlich höhere Ziele zu instrumentalisieren.
Besonderes Augenmerk fällt auf die ideologisch-biopolitischen (Rassentheorie, Vererbungslehre, Euthanasieforschung) und militärischen Maßnahmen (Infektionsprävention, Leistungssteigerung, Kampfstoff- und Ernährungsforschung). Im Mittelpunkt der Tagung steht zwar die Zeitspanne zwischen 1933 und 1945, doch auch die Jahre zwischen 1949 und 1970 werden berücksichtigt.
Die internationale Perspektive wird gewahrt u.a. durch einen Vortrag zur "verbrauchenden" medizinische Experimentalforschung der japanischen Besatzungsmacht an chinesischen Militärangehörigen und Zivilisten auf dem besetzten chinesischen Festland. Aus den USA wird exemplarisch über die Tuskegee Syphilis Experimente an der afroamerikanischen Bevölkerung berichtet, der von 1932 bis 1972 medizinische Behandlung vorenthalten wurde, um den Verlauf der Infektionskrankheit zu studieren. Ein weiterer Vortrag thematisiert am Beispiel der experimentellen AIDS-Forschung der achtziger Jahre das humanexperimentelle Handeln jenseits der Grenzen des Legalen und ethisch Akzeptablen (Deklaration von Helsinki) bis in die Gegenwart.
Die Tagung "Man, Medicine and the State: The Human Body as an Object of Government Sponsored Research, 1920-1970" findet am 9. und 10. Oktober 2003 in der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Heidelberg, Pfaffengasse 18, statt.
Journalisten sind herzlich eingeladen, an der Tagung teilzunehmen!
Weitere Informationen und Programm als PDF-Dokument im Internet unter:
http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/Downloads/man_medicine_state.pdf
Anspechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Eckart
Direktor der Instituts für Geschichte der Medizin
der Universität Heidelberg
Tel.: 06221-54 82 12
E-Mail: wolfgang.eckart@urz.uni-heidelberg.de
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