Erhalten durch Gestalten - ein neues Ökonomieprinzip?
Bremer Uni-Tagung: Nachdenken über zukunftsfähiges Wirtschaften
Vogelgrippe - überalterte Gesellschaft - Ozonlöcher: Erst wenn Krisen auftreten, wird nach den Ursachen gefragt. Zuvor wird munter drauflosproduziert und konsumiert, ohne Rücksicht auf Verluste, vielleicht sogar der eigenen Existenzgrundlage. Der "Wahnwitz" dieses Systems ist offenkundig, Lösungen sind aber unbequem, und so bleiben die Augen vor den Problemen verschlossen. Doch die Grenzen, an die die Ökonomie des Marktes und die Trennung von Produktion und Reproduktion stoßen, beeinflusst auch die wirtschaftswissenschaftliche Theoriebildung. Im Diskurs um eine zukunftsfähige Gesellschaft bilden sich erste Grundkonzepte einer erneuerten Ökonomie heraus. Im Motto "Erhalten durch Gestalten" lässt sich das neue ökonomische Prinzip zusammenfassen. Diese Ökonomie verfolgt ein Hauptziel: die Lebensgrundlagen für heutige und zukünftige Generationen sichern. Bei der 10. Jahrestagung des Instituts für Institutionelle und Sozial-Ökonomie (iiso) im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Bremen steht dieses Thema auf der Tagesordnung ? und sorgt für großes Interesse. An der Tagung "Erhalten durch Gestalten - Nachdenken über eine (re)produktive Ökonomie" nehmen am 27. und 28. Februar 2004 mehr als 100 Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler aus ganz Europa teil. Die Veranstaltung wird unterstützt von der Heinrich Böll Stiftung Bremen.
Mit dem Prinzip "Erhalten durch gestalten" gerät die Trennung von Produktion und Reproduktion in die Kritik: eine Trennung, die bereits von Adam Smith in seiner Theorie zur Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft gezogen worden ist. Die Aufteilung von Erwerbsarbeit zur Herstellung von Waren und Nicht-Arbeit für alle anderen Tätigkeiten hat heute fatale Folgen. Vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und demographischer Krise zeigt sich, dass es problematisch ist, die sozialen Sicherungssysteme so stark an die Teilhabe an der Erwerbsarbeit zu binden. Die Vernachlässigung reproduktiver Tätigkeiten führt zu einem Paradoxon sinkender Geburtenraten bei wachsenden Bedarf an Renten und Pflege für die ältere Generation. Auch die ökologische Krise wird von Vertretern einer erneuerten Wirtschaftstheorie auf die Trennung von Produktion und Reproduktion zurückgeführt. Ein aktuelles Beispiel für die "Diktatur des Marktes" ist die Überfischung der Weltmeere ohne Rücksicht auf Erhaltung der Ressource Fisch. Für eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise gilt es, diesen Raubbau nicht nur zu stoppen, sondern das Erhalten der Produktivität von Mensch und Natur als Grundprinzip rationalen Wirtschaftens zu verstehen.
Doch was heißt es es, wirtschaftliche Prozesse so zu organisieren, dass Lebensbedingungen immer wieder gesichert und neu hergestellt werden? Welche Herausforderungen an die ökonomische Theorie und wirtschaftliche Praxis ergeben sich? Bedeutet Langfristigkeit, Sparsamkeit und Vorsorge wirtschaftliche Stagnation? Lässt sich in einer Welt der globalisierten Märkte die Trennung von Reproduktion und Produktion theoretisch und praktisch überwinden? Oder handelt es sich um Denkspiele praxisferner Ökonomen? Diese Fragen werden bei der Jahrestagung des iiso behandelt. So geht es in Plenarsitzungen um konzeptionelle Beiträge zum Verhältnis von produktiver und reproduktiver Prozesse sowie um politische Konzepte und neue institutionelle Arrangements zur Entwicklung und Gestaltung einer (re)produktiven Ökonomie. In Workshops werden die Kernfragen konkretisiert: Die Region als Ort der (Re)Produktion; Die Vielfalt von Arbeit als kooperative (Re)Produktion; Produzenten und Konsumenten als (re)produktive Akteure
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Institut für Institutionelle und Sozial-Ökonomie (iiso)
Prof. Dr. Adelheid Biesecker
Tel. 0421 218 2151
Email: bie@uni-bremen.de
Prof. Dr. Wolfram Elsner
Tel. 0421 218 7536
Email: welsner@uni-bremen.de