Jüdischer Widerstand im nationalsozialistischen Europa
Gastprofessur des Fritz Bauer Instituts
für Dr. h.c. Arno Lustiger
FRANKFURT. Mit der Verleihung einer Gastprofessur des Fritz Bauer Instituts würdigen die Universität Frankfurt und das Fritz Bauer Institut die Lebensleistung von Dr. phil. h.c. Arno Lustiger.
Universitätspräsident Prof. Rudolf Steinberg und der Direktor des Fritz Bauer Instituts, Prof. Micha Brumlik, übergaben heute im Rahmen eines akademischen Akts und in Anwesenheit des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, Dr. h.c. Arno Lustiger die Ernennungsurkunde.
Arno Lustiger wird zunächst vom Sommersemester 2004 bis zum Sommersemester 2005 am Fritz Bauer Institut ein Seminar halten.
Arno Lustiger, der am 7. Mai seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hat, und der als Überlebender des Holocausts, nach Familiengründung, vielfältigen ehrenamtlichen Tätigkeiten und einem ausgefüllten Berufsleben einen eigenständigen Weg als Zeithistoriker beschritten hat, gilt als einer der besten Kenner des jüdischen Widerstands in Europa. Im vergangenen Jahr wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam für seine Forschungen zum jüdischen Widerstand im nationalsozialistisch besetzten Europa verliehen.
"Mit Arno Lustiger", so der Leiter des Fritz Bauer Instituts, Micha Brumlik, "konnten wir einen Gelehrten gewinnen, der das einseitige Bild von den jüdischen 'Opfern' nachhaltig korrigiert und gezeigt hat, dass Jüdinnen und Juden der Verfolgung aktiv widerstanden haben. Das ist eine Bereicherung für Institut und Universität."
Präsident Rudolf Steinberg würdigte Arno Lustiger als einen Mann, der die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten überlebte und nach dem Zweiten Weltkrieg durch vielfältige Aktivitäten zum Wiederaufbau des deutschen Gemeinwesens und zur Versöhnung zwischen Juden und Deutschen Besonderes geleistet habe.
Minister Corts sagte, Dr. Lustiger habe sich nicht nur um das deutsche Gemeinwesens verdient gemacht, sondern habe auch mit seinen Forschungen auf dem Gebiet des Jüdischen Widerstandes im nationalsozialistischen Europa wissenschaftliches Neuland erschlossen und somit zur Wiederherstellung der verletzte Würde der Juden Europas mit beigetragen. "Als hessischer Wissenschaftsminister freue ich mich sehr, dass Sie am Fritz Bauer Institut eine Lehrveranstaltung zum Thema 'Jüdischer Widerstand im nationalsozialistischen Europa' anbieten, und dass auch die Studierenden der Universität Frankfurt von Ihrer hohen Kompetenz und Ihrer eindrücklichen Zeitzeugenschaft profitieren werden", sagte Corts.
Arno Lustiger skizzierte kurz seinen künftigen Forschungs- und Lehrbereich. Durch die ihm übertragene Gastprofessur soll die bisherige Historiographie über den Holocaust in Bezug auf das Verhalten der jüdischen Opfer ergänzt und korrigiert werden. In diesem Kontext wird er das Panorama des jüdischen Widerstandes in den meisten deutschbesetzten Ländern Europas entwickeln. Im laufenden Sommersemester wird Arno Lustiger zwei Veranstaltungen anbieten: einen Vortrag am 9. Juni und ein Blockseminar am 2. und 3. Juli.
Lustigers Veröffentlichungen umfassen unter anderem Monographien zur jüdischen Beteiligung bei der Verteidigung der spanischen Republik, zum Widerstand der Juden in Ost- und West-Europa sowie zur stalinistischen Judenverfolgung.
Kontakt: Prof. Micha Brumlik; Direktor des Fritz Bauer Instituts; Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt; Tel.: 069-798-32234; Fax: 069-798-32242; E-Mail: m.brumlik@fritz-bauer-institut.de
Veranstaltungen Sommersemester 2004
Öffentlicher Vortrag
Jüdischer Widerstand - gab es ihn?
Zur Problematik der Forschung.
9. Juni 2004, 20 Uhr, Raum 1.812, Casino, IG Hochhaus, Campus West- end, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt
Blockseminar
Jüdischer Widerstand im nationalsozialistischen Europa
Freitag, 2. Juli 2004, 12 bis 18 Uhr; Samstag, 3. Juli 2004,
10 bis 14 Uhr; Raum EG 254, IG Hochhaus, Campus Westend, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt
Dr. h.c. Arno Lustiger: Biographische Daten
* 1924 in Bedzin, Polen, geboren.
* Unter nationalsozialistischer Herrschaft wirkte er im
Untergrund und wurde 1943 nach Auschwitz deportiert. Er
überlebte mehrere Konzentra- tionslager - außer dem
Vernichtungslager Auschwitz- Blechhammer auch die Lager
Groß-Rosen, Buchenwald und Langenstein - und Todes
märsche.
* Nach Kriegsende arbeitete er als Dolmetscher für die US-
Armee und war Mitbegründer der jüdischen Gemeinde in
Frankfurt am Main, wo er seit 1945 lebt und als
Textilfabrikant ein erfolgreiches Unternehmen für
Damenmoden aufbaute.
* Arno Lustiger spricht acht Sprachen und arbeitet und
veröffentlicht in vielen Ländern der Welt.
Auszeichnungen (Auswahl):
* Heinz-Galinski-Preis (2001, gemeinsam mit Wolf Biermann)
* Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam (2003).
Veröffentlichungen (Auswahl):
* Zum Kampf auf Leben und Tod. Das Buch vom Widerstand der
Juden 1933-1945 (1994/1997/ 2002)
* Schalom Libertad! Juden im Spanischen Bürgerkrieg
(1998/2001)
* Rotbuch: Stalin und die Juden (1998/2002)
* Wir werden nicht untergehen. Zur jüdischen Geschichte
(2002)