Für Förderung der Grundlagenforschung - gegen staatliche Gängelei
Der Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker , GDCh, Professor Dr. Henning Hopf, Institut für Organische Chemie der TU Braunschweig, äußerte sich am Mittwoch, den 9. Juni in seinem Vortrag vor dem Jungchemiker-Forum und des Ortsverbandes Harz der GDCh an der TU Clausthal zur aktuellen Hochschuldebatte.
"Es ist an der Zeit, vor schwerwiegenden Fehlentwicklungen in der Forschungspolitik zu warnen. Die Grundlagenforschung wird in ihrer Bedeutung erheblich unterschätzt. Sie ist es, die das wirklich Neue und Kreative hervorbringt. Sie ist aber nicht planbar, wie die Politik illusorisch hofft. Die deutschen Hochschulen sind chronisch unterfinanziert. Viel entscheidender ist aber, dass sie viel zu sehr gegängelt werden. Es fehlt der Geist der Freiheit", sagte Professor Hopf und erinnerte an den Wahlspruch der amerikanischen Elite-Universität Stanford, die eben dies, die Freiheit in einem Ausspruch Ulrich von Huttens - und in Deutsch! - zu ihrem Wahlspruch erhoben hat: "Die Luft der Freiheit weht."
Professor Hopf kennt die internationale Wissenschaftslandschaft. Er promovierte an der Universität von Wisconsin in den USA und ist u.a. Mitglied der Königlich-Norwegischen Akademie der Wissenschaften sowie Träger des französischen Alexander von Humboldt-Forschungspreises sowie verschiedener amerikanischer und japanischer Preise. "In der Diskussion um die Elite-Universitäten in Deutschland stört mich das mechanistische Weltbild. Als könnte man unten Geld hineinstecken und oben käme eine Elite heraus. Die amerikanischen Privat-Universitäten konnten über Jahrhunderte einer friedlichen Entwicklung Stiftungsvermögen aufbauen und sich in Autonomie entwickeln. Harvard hat über 250 Jahre Juristen und Pfarrer ausgebildet, bis sein Ruf in der Forschung einsetzte. Exzellenzbildung braucht Zeit. Sie lässt sich nicht verordnen", sagte Professor Hopf. Welche Wege die Grundlagenforschung nehmen kann, illustrierte er an der theoretischen Vorhersage des magnetischen Drehimpulses des Elektrons durch den Physiker Wolfgang Pauli im Jahre 1925. Erst 35 Jahre später kamen die ersten kommerziellen Spektrometer auf den Markt. "Es war, als ob den Chemikern ein neues Auge eingesetzt worden wäre. Heute können wir mit dieser Methode dem Gehirn beim Denken zuschauen", sagte Professor Hopf. "Und für die Strukturaufklärung einer Seitenkette eines Moleküls, für welche man früher 17 Jahre gebraucht hatte, liefert heute vor dem Frühstück das NMR-Spektrum die Antwort." Und damit ein solcher Fortschritt möglich sei, bedürfe es der fünf G: Geld, Glück, Geschick, Geduld und Gespräch. Das Weltall schwirre, wie Justus von Liebig sinngemäß gesagt habe, vor Innovationskeimen. "Damit sich die aber niederlassen können, braucht es Muße und Freiheit. Beides fehlt einem Hochschullehrer aber heute in zunehmendem Maße. Wir müssen Berichte über Berichte anfertigen, die oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Ich fühle mich schon manchmal wie in der Spätphase des real-existierenden Sozialismus, in dem ein Vierjahresplan nach dem anderen verfasst wurde", sagte Professor Hopf.