Arbeitsgruppen im Essener Universitätsklinikum setzen bei Krebsforschung auf den BioChip
102/2000
17. April 2000
Entscheidende Fortschritte bei der Diagnose und Therapie von Erkrankungen, aber auch Impulse für Nanotechnologie und Bioinformatik versprechen sich Wissen-schaftler in aller Welt derzeit von einem Chip, der dem Computerchip nachempfun-den, der aber nicht mit elektronischen Schaltern, sondern mit natürlichem Material bestückt ist: Auf einem fingernagelgroßen Glasscheibchen sind mehrere tausend Erb-gut-"Schnipsel", Gene also, aufgetragen. Das ist der Bio-Chip oder der DNA-Chip, wie ihn im Institut für Molekulare Zellbiologie des Essener Universitätsklinikums Professor Dr. Tarik Möröy lieber benannt hört. Zusammen mit Forscherkollegen in den Instituten für Humangenetik (Professor Dr. Bernhard Horsthemke), Pharmako-logie (Professor Dr. Winfried Siffert), Virologie (Professor Dr. Michael Roggendorf) sowie Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (Professor Dr. Karl-Heinz Jöckel) strebt Möröy den Aufbau eines DNA-Chip-Labors als zentrale Ein-richtung des Klinikums an. Dort sollen künftig spezielle kleine DNA-Chips einge-setzt werden, die die Klassifizierung eines bestimmten Tumors aber auch die Analyse der genetischen Prädisposition für Herz-Kreislauferkrankungen erlauben. NRW-Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium gemeinsam fördern das Projekt in den nächsten drei Jahren mit 533 000 Mark.
Damit gehört die Universität Essen zu den zwölf "Gewinnern", die eine international besetzte Fachjury aus 44 Projekten für die Aufnahme in das Förderprogramm "Bio-Chip-Initiative NRW" vorgeschlagen hat. Die Landesregierung will auf diese Weise die Nutzung einer zukunftweisenden Schlüsseltechnologie für Nordrhein-Westfalen ausbauen.
Partner im Essener Projekt ist zunächst die Firma Affymetrix in Santa Clara, USA. Affymetrix stellt DNA-Chips mit einer hohen Besatzdichte her, die es erlauben, Tau-sende von Genen gleichzeitig zu analysieren. Um diese Analysen zuverlässig für die medizinische Diagnostik einsetzen zu können, müssen Grundlagenforscher die ge-wonnenen Daten aber zunächst auf Zuverlässigkeit und Aussagekraft hin überprüfen. Vor allem die Vielfältigkeit klinischen Probenmaterials stellt die Forscher derzeit noch vor die schwierige Aufgabe, aus den vielen Messergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Genau hier setzt die Forschung des Essener Verbundprojekts an.
Die Wissenschaftler setzen die DNA-Chip-Technologie modellhaft bei vier Experi-menten ein: Metastasierung des Aderhautmelanoms, Entstehung von lymphoiden Tumoren, Zustandekommen einer bestimmten genetischen Prädisposition sowie Ent-stehung einer Hepatitis-B-Virusinfektion. Diese vier Beispiele wurden wegen ihrer klinischen Bedeutung gewählt, aber auch, weil hier Probenmaterial von hoher Rein-heit und Vergleichbarkeit vorliegt. Die bioinformatische Auswertung der bei den Experimenten gewonnenen Daten übernimmt das Institut für Medizinische Informa-tik, Biometrie und Epidemiologie. Dazu werden Verfahren zur Muster-Erkennung und Klassifikation DNA-Chip basierter Daten zur Verfügung gestellt.
Im angestrebten DNA-Chip-Labor sollen langfristig - entsprechend den Schwer-punkten des Essener Klinikums - die Klassifizierung von Tumoren und die Analyse der genetischen Prädisposition für Herz-Kreislauferkrankungen möglich sein. Statis-tische Methoden sollen helfen, aus repräsentativen Genen oder Gengruppen dieselben Aussagen zu ermitteln wie aus den zunächst eingesetzten - kostspieligen - Chips der Firma Affymetrix mit 6 500 bis 35 000 Genen. Im Idealfall wollen die Essener Wissenschaftler mit 50 bis 100 Genen auf einem Chip auskommen. Diese können dann in hoher Stückzahl von einer Biotech-Firma hergestellt werden.
Redaktion: Monika Rögge, Telefon (02 01) 1 83-20 85
Weitere Informationen: Professor Dr. Tarik Möröy, Telefon (02 01) 7 23-33 80
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