Männlichkeit als Maskerade
Gender-Studien mit Blick auf "den" Mann. Eine Ringvorlesung
Der von der englischen Psychoanalytikerin Joan Rivière bereits 1929 veröffentlichte Aufsatz Womanliness as a Masquerade führte in den Gender-Studien der 1990-er Jahre zur Entwicklung eines feministischen Maskerade-Konzepts, das u. a. von Judith Butler ausformuliert wurde. In der kritischen Auseinandersetzung mit Rivière wurde "Weiblichkeit" nicht länger als naturgegeben verstanden, sondern als etwas, das sich in einer kulturellen Inszenierung darbietet und sich erst im Augenblick der Darstellung und Wahrnehmung konstitutiert. Gegenüber essentialistischen Weiblichkeitsvorstellungen werden in der Forschung nun Aspekte des Spielerischen und Parodistischen untersucht.
Die Ringvorlesung "Männlichkeit als Maskerade" greift diese Debatte auf und möchte sie auf die Konstruktionen von Männlichkeit übertragen. Selbstverständlich bedeutet dies keine simple Umkehrung eines geschlechtlichen Dualismus. Denn männliche Maskeraden sind - zumindest von der Theorie her - keinen vergleichbaren Attributionen wie weibliche Maskeraden unterworfen; sie sind keine Reaktionsbildungen auf die Zuschreibung eines primären Mangels oder einer Abwesenheit. Aber orientieren sie sich nicht dennoch an einem Phantasma von "Vollständigkeit" und "Präsenz"? Wie inszeniert sich Männlichkeit als maskenlos? Welche rhetorischen Strategien werden hierfür eingesetzt? Und was geschieht, wenn das männliche Anlegen von Masken als Mimikry an das Weibliche verstanden wird, frei nach Jacques Lacans Diktum, "dass beim Menschen die männliche Parade selbst als weiblich erscheint"?
Die interdiziplinäre Ringvorlesung fragt nach Ikonen, Stereotypen und Masken des Männlichen. Sie untersucht die performative Bildung von Männlichkeit in Handlungen und Ritualen, in Künsten und wissenschaftlichen Diskursen. Sie beschäftigt sich mit dem Körper als Austragungsort von Maskierungsprozessen, ebenso wie mit anderen, oft alltäglichen Geschlechtermasken, die einen gender-spezifischen Habitus konstitutieren, z.B. im Hinblick auf Emotionalität, Kreati-vität, Generativität oder Intellektualität. Von besonderem Interesse sind auch Grenzphäno-mene aller Art und Geschlechter-Transgressionen, die zeigen, dass die Gewissheit dessen, was als maskulin gilt, zu schwinden beginnt, und sich zunehmend ein Spiel des Infrage-stellens, des (Selbst-)Zitierens und der Überbietung etabliert.
Kontakt: Dr. Claudia Benthien, Institut für deutsche Literatur, Tel. (030) 2093 9650, claudia.benthien@rz.hu-berlin.de
Männlichkeit als Maskerade - Gender-Studien mit Blick auf 'den' Mann, Ringvorlesung
Ort: Hauptgebäude, Unter den Linden 6, Raum 2091/92, Zeit: Dienstags, 18-20 Uhr c.t
30. April Claudia Benthien und Inge Stephan (Humboldt-Universität zu Berlin): Das Maskerade-Konzept und die Men's Studies. Einführung in die Ringvorlesung
7. Mai Liliane Weissberg (Philadelphia): Was will der Mann? Gedanken zu Freud
14. Mai Horst Wenzel (Humboldt-Universität zu Berlin): Rittertum und Gender-Trouble. Der repräsentative Schein der Ehre
21. Mai Walter Erhart (Greifswald): Mann ohne Maske? Der Mythos des Narziss und die Theorie der Männlichkeit
28. Mai Ulrike Brunotte (Humboldt-Universität zu Berlin): Männerbund und männliche Ekstasen. Über Konstruktionen von Maskulinität um 1900
4. Juni Rolf-Peter Janz (FU): Schwindelnde Männer oder: Die Liebe zum Betrug
11. Juni Sigrid Schade (Zürich/Bremen): Exhibitionismus und Maskulinität im Künstlerbild des 20. Jahrhunderts
18. Juni Gertrud Koch (FU): Der anrührende Mann im Film oder: L'homme qui pleurt
25. Juni Erhard Schütz (Humboldt-Universität zu Berlin): Das Kind im Manne. Rückblick auf eine Figur in Literatur, Film und Wissenschaft
2. Juli Ute Frevert (Bielefeld): Männer in Uniform. Habitus und Signalzeichen im 19. und 20. Jahrhundert
9. Juli Albrecht Koschorke (Konstanz): Der Mann Joseph und die monotheistische Religion. Heilige Familien in der Literatur des 18. Jahrhunderts
16. Juli Hartmut Böhme (Humboldt-Universität zu Berlin): Genus und Genetik. Männliche Schöpfungsphantasien