Weiter Warten auf FRM II - Auch den Kristallografen läuft der Nachwuchs weg
München, 10. Juni 2002 - Hoffen auf die neue Neutronenquelle - und kein Ende abzusehen. Während die politische Entscheidung über den Betrieb des FRM II-Reaktors ein ums andere Mal von den zuständigen Bundesministerien vertagt wird, geht immer mehr betroffenen Wissenschaftlern die Luft und auch die Lust aus. Vor allem der Nachwuchs läuft den Münchener Forschern davon, aber auch ausgebildete Wissenschaftler wandern ab.
"Das kann man fast nur noch als politisch motivierte Schikanen auffassen", kritisiert Professor Fritz Frey, Kristallograph am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU München das Gerangel um die Inbetriebnahme der neuen Forschungs-Neutronenquelle. Frey hat sich für zwei Projekte, sein Kollege aus der Physik, Professor Dietrich Habs, für ein Forschungsvorhaben die Nutzung des neuen Reaktors vertraglich gesichert. Wann jedoch der Startschuss für den FRM II-Betrieb fällt, ist weiterhin unklar. Die dritte Teilerrichtungsgenehmigung steht noch immer aus.
Frey ist Leiter einer Arbeitsgruppe, die am alten FRM I als "Dauergast" der TUM zwei Instrumente erfolgreich betrieben hat. Gegenwärtig sind Wissenschaftler aus dem Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU München am Aufbau zweier neuartiger Instrumente zur Erforschung der Struktur kristallisierter Materie beteiligt. Frey ist auch - zusammen mit Kollegen der TU München - Projektleiter beim Aufbau eines Neutronendiffraktometers, das in dieser Form weltweit einzigartig ist. Die Forscher fürchten nun, dass das Bundesumweltministerium die Genehmigung nur für einen Probebetrieb des FRMII erteilen wird.
"Das bedeutet im Klartext, dass die Neutronenstrahlung den eigentlichen Nutzern nicht vor 2003 zur Verfügung stehen dürfte", so Frey. "Besonders schmerzlich ist aber schon jetzt die immer größer werdende zeitliche Lücke zwischen dem Abschalten der alten Neutronenquelle und einer ja noch nicht gesicherten Inbetriebnahme des FRM II. Für unerwartet lange Zeit entfällt damit die Möglichkeit, Studenten auszubilden. Die Konsequenz ist ein Ausbluten an Nachwuchs - in einem Forschungssektor, in dem Deutschland bislang immer mitführend war", beklagt der Wissenschaftler. Die Neutronenquelle vor den Toren Münchens war bisher ein deutlicher Standortvorteil bei der Ausbildung von Studenten. Diese kann jetzt ebensowenig wie die laufende Forschungsarbeit durch "Gastmessungen" an weiter entfernten Einrichtungen aufrechterhalten werden.
Mit Hilfe der Neutronenquelle wollen die im Bereich sowohl der Struktur- wie auch der Materialforschung tätigen LMU-Wissenschaftler den Aufbau und die Eigenschaften von Kristallen untersuchen, die die Grundlage bilden für den Aufbau der Materialien. Dazu gehören vor allem in der Natur vorkommende "Geomaterialien", biogene kristalline Geomaterialien sowie die erst vor wenigen Jahren entdeckten Quasikristalle. Die Quasikristalle sind eine besonders für die Materialwissenschaft interessante Gruppe extrem harter Legierungen, die beispielsweise für den Flugzeugbau verwendet werden. Grundlagen-forscher wie Professor Frey interessieren sich dabei vor allem für die Fehlordnungen in derartigen Quasikristallen, also gewissermaßen für die "gestörte Welt".
Die gegenwärtig eingesetzten Röntgenmethoden lieferten zwar wertvolle Daten für die Strukturforschung, so Frey, doch die komplementäre Neutronenstreumethode in diesen und vielen anderen Bereichen sei unersetzlich. Beispielswiese bei der Untersuchung von anorganischen Sauerstoffverbindungen wie Zirkonia, einem Metall in Verbindung mit Sauerstoff, der auch als Edelsteinersatz bekannt ist. Das Hartmetall Zirkoniumdioxid gilt als HighTech-Werkstoff etwa für die Autoindustrie.
Gegenwärtig kann man im Rahmen des von der Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn ausgerufenen Jahres der Geowissenschaften deutschlandweit einschlägige Veranstaltungen besuchen. "Beim Jahr der Geowissenschaften geht es unter anderem genau um die Forschung, die hier in München an den Neutronen-instrumenten durchgeführt werden soll", sagt Frey. Doch Bulmahns Kabinettskollege Trittin spiele offenbar nicht mit. "Diese unter dem Stichwort Geowissenschaften propagierten Arbeiten werden nämlich de facto vom Bundesumweltministerium verhindert", beklagt Frey.
Ansprechpartner:
Professor Fritz Frey
Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU
Institut für Kristallographie und Angewandte Mineralogie
Tel.: 089 2180 4332 oder 2891 4017
Fax: 2180 4334
e-mail: f.frey@lmu.de