Erste polnische Patientin wird behandelt - Deutsche Orthopäden operieren ehemalige Zwangsarbeiter
Im Rahmen der bundesweiten Initiative deutscher Orthopäden "Aktive Solidarität" für ehemalige Zwangsarbeiter wird derzeit die erste Patientin im Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg medizinisch betreut. Der 78-jährigen Polin aus der Nähe von Bialystok wurden vor wenigen Tagen zwei künstliche Kniegelenke implantiert.
Auf dem Deutschen Orthopädenkongress im Oktober 2001 in Berlin wurde die Aktion "Aktive Solidarität" ins Leben gerufen. "Damit wollten auch wir uns als Ärzte mit einer ganz konkreten Hilfe an der Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter des NS-Regimes aus osteuropäischen Staaten beteiligen", erklärte der damalige Kongresspräsident und Initiator der Aktion, Professor Wolfram Neumann, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg. "Wir bieten Personen, die nachweislich bedürftig sind und sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, an, sich kostenlos in deutschen Kliniken operieren und bei entsprechenden Verschleißerscheinungen künstliche Gelenke, wie beispielsweise Knie- oder Hüftendoprothesen, einsetzen zu lassen." Die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit erfolgt grundsätzlich über Partnerorganisationen vor Ort und auf Empfehlung zur Operation durch Fachkollegen des Heimatlandes. Professor Neumann, der die Patientin aus Polen operiert hat, hofft, dass er und seine Kollegen mit dieser Aktion als Zeichen der Solidarität etwas zur Versöhnung mit den Völkern Mittel- und Osteuropas und vor allem zur Abtragung der Schuld gegenüber den Menschen, denen im Dritten Reich so viel Leid zugefügt wurde, beitragen können.
Die erste Patientin, die im Rahmen der Initiative "Aktive Solidarität" nun in Deutschland behandelt wird, war vom Frühjahr 1942 bis Herbst 1944 auf einem Bauernhof im damaligen Ostpreußen zur Zwangsarbeit verpflichtet. Anschließend musste sie als Zwangsarbeiterin in einer Konservenfabrik arbeiten. Am 19. April 1945 wurde sie bei Gefechtshandlungen schwer verletzt. Seit vielen Jahren hat sie gesundheitliche Probleme mit den Kniegelenken und mit der Wirbelsäule. Deswegen musste sie in der Vergangenheit bereits mehrmals operiert werden.
Vom Koordinierungszentrum Magdeburg wird künftig die Auswahl und Weiterleitung der Patienten an die einladende Klinik erfolgen. 98 Orthopädische Kliniken in der Bundesrepublik haben bereits ihre Beteiligung an dieser Initiative zugesagt. Alle Kosten der Operation werden auf Grundlage eines Solidarpaktes zwischen der Implantat-Industrie, den Ärzten und Schwestern der Orthopädischen Kliniken, die außerhalb ihres vereinbarten Operationsumfanges zusätzlich diese Operation durchführen werden, sowie den Krankenhausträgern, die den Aufenthalt unterstützen werden, getragen.
ARD-Redakteur Thomas Baumann hat die erste Patientin bei ihrer Reise nach Deutschland begleitet und wird über ihre Lebensgeschichte sowie die Initiative "Aktive Solidarität" in seinem Beitrag im Polit-Magazin "Bericht aus Berlin" heute am 28. Juni 2002, 22.45 Uhr, berichten. Auch "MDR-aktuell" wird in der Spätausgabe am Sonnabend, 29. Juni 2002, 21.45 Uhr, ausführlich berichten und mit einem der Initiatoren sprechen.
Weitere Auskünfte erteilt gern:
Prof. Dr. med. Wolfram Neumann, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg
Tel:. (0391) 67-14000