Forschung in der Universitätsmedizin durch strukturelle Änderungen stärken
Der Wissenschaftsrat kommt in seiner jüngsten umfassenden Analyse der Situation der Universitätsmedizin zu dem Ergebnis, dass die Medizin an den Hochschulen mit inhaltlicher und struktureller Weiterentwicklung reagieren muss, um künftig in Forschung, Lehre und Krankenversorgung gleichermaßen konkurrenzfähig zu bleiben.
Zur effizienteren Gestaltung der Strukturen in Forschung und Lehre empfiehlt der Wissenschaftsrat unter anderem:
Ärztemangel vermeiden durch Sicherung der Kapazitäten
Der Wissenschaftsrat spricht sich angesichts eines zunehmenden Ärztemangels gegen eine weitere Absenkung der medizinischen Studienplätze aus. Neben einer Neuregelung des Hochschulzugangs hält er deshalb eine Komprimierung und Neuausrichtung der Aus- und Weiterbildungszeiten für unbedingt erforderlich.
Neue Ausbildungswege anlegen
Grundsätzlich wird künftig an der traditionellen Personalunion von Arzt und Forscher angesichts des zunehmenden Wettbewerbs und der steigenden Komplexität der Anforderungen nicht mehr festzuhalten sein. Dem müssen auch die Ausbildungsstrukturen Rechnung tragen. Künftig sollen zwei verschieden strukturierte Qualifizierungswege angeboten werden, die entweder eine Konzentration auf Forschungsbelange oder aber auf klinische Aufgabenfelder ermöglichen. Bei der Wissenschaftlichen Laufbahn soll der Schwerpunkt auf der Forschung und der mit ihr verbundenen theoriegeleiteten Lehre liegen. Entsprechend werden die Vertreter der Klinischen Laufbahn ihren Schwerpunkt in der Krankenversorgung, der patientennahen Forschung und der praxisbezogenen Lehre haben. Diese neue Form der Aufgabenverteilung wird nur funktionieren, wenn ein stetiger Dialog zwischen Forschern und Klinikern auf institutioneller Ebene gewährleistet ist. Dies macht den Aufbau neuer Leitungs-, Koordinations- und Kooperationsstrukturen erforderlich (Departmentstrukturen, Tandemleitung, krankheitsorientierte Zentren).
Notwendige Weichenstellungen während des Studiums
Mit der Einführung eines wissenschaftlich strukturierten Begleitstudiums (vier Semester nach dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung) soll schon in einem frühen Stadium das Interesse an medizinischer Forschung bei den Studierenden geweckt werden. Künftig sollen alle Studierenden im letzten Jahr des Studiums eine nicht-experimentelle Abschlussarbeit vorlegen. Mit der Approbation soll diesen Medizinabsolventen die Berufsbezeichnung "Medizinischer Doktor" (MD) verliehen werden. In Zukunft wird nicht jeder die klinische Laufbahn beschreitende Mediziner zwangsläufig promovieren müssen, soweit nicht geplant ist, eine Hochschullaufbahn einzuschlagen. Gleichzeitig wird dadurch die Qualität der medizinischen Promotion prinzipiell der aller anderen Fachgebiete angeglichen und damit aufgewertet.
Forschung stärken
Der Wissenschaftsrat hält einen Masterplan zur sukzessiven Erhöhung der Mittel im Bereich der Forschungsförderung, insbesondere der Biomedizin, für zwingend geboten. Über bessere Ausbildungsprogramme, den verstärkten Aufbau professioneller Studienzentren sowie allgemein den Ausbau der Infrastruktur für klinische Studien ist vor allem eine Stärkung der patientenorientierten Forschung in Deutschland anzustreben. Darüber hinaus muss sich das deutsche Nachwuchsförderungssystem stärker als bisher auf die unterschiedlichen Karrierestadien einer wissenschaftlichen Laufbahn ausrichten. Insbesondere ist ein spezielles personen- und nicht projektbezogenes Förderinstrument für den Mittelbau (Wissenschaftler über 35 Jahre) zu etablieren.
Da die universitätsmedizinischen Einrichtungen nicht nur für Forschung und Lehre zuständig sind, sondern darüber hinaus Krankenversorgungsleistungen für die Bevölkerung erbringen, stehen sie in einem besonderen Spannungsfeld. So hat die Universitätsmedizin aktuell nicht nur die Einsparmaßnahmen zu verkraften, denen alle Hochschulen gleichermaßen ausgesetzt sind, sondern muss zudem auch alle monetären Reduktionen im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens bewältigen. Durch den verschärften Wettbewerb sowohl im Wissenschaftssystem als auch im Gesundheitswesen treten seit langem bekannte Strukturproblem der Universitätsmedizin immer deutlicher zutage. Der Wissenschaftsrat appelliert an Bund und Länder, die besonderen Rahmenbedingungen der Universitätsmedizin bei allen weiteren Reformschritten adäquat zu berücksichtigen. Andernfalls wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen medizinischen Forschung, die größten Teils an den Universitäten stattfindet, deutlich eingeschränkt werden.
Hinweis: Die "Empfehlungen zu forschungs- und lehrförderlichen Strukturen in der Universitätsmedizin" (Drs. 5913/04) werden im Netz als Volltext (www.wissenschaftsrat.de) veröffentlicht, sie können aber auch bei der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates per Email (post@wissenschaftsrat) angefordert werden.
Weitere Informationen:
http://wwww.wissenschaftsrat.de