Herzog-Ernst-Forschungsprogramm gestartet
Erste Forschungsstipendiaten an der Forschungsbibliothek Gotha begrüßt
Das Herzog-Ernst-Stipendienprogramm der Fritz Thyssen Stiftung ist gestern an der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha gestartet worden. "Das interdisziplinär ausgerichtete Förderprogramm für Doktoranden und Postdoktoranden eröffnet eine neue Ära in der Geschichte der traditionsreichen Bibliothek", sagte der Vizepräsident der Universität Prof. Dr. Eberhard Tiefensee zur Begrüßung der ersten neun Stipendiaten. Man wolle die Bibliothek mit ihren mehr als 530.000 Bänden und wertvollen Handschriften bekannter machen und die Basis für das geplante Forschungszentrum "Altes Buch" legen, so Tiefensee, der als Vizepräsident für die Bereiche Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs zuständig ist.
Entsprechend dem offenen Charakter der herzoglichen Bibliothek - die Herzöge hegten vielseitige Interessen und pflegten eine breit gestreute Sammelleidenschaft - spricht das Programm der "Herzog-Ernst-Stipendien der Fritz Thyssen Stiftung" prinzipiell alle Kultur- und Geisteswissenschaftler, die sich mit Themen zwischen dem 16. und dem beginnenden 19. Jahrhundert beschäftigen, an. Einige Themenbereiche, wie die Erforschung der deutschen und europäischen Höfe und ihrer Kultur oder die Aufklärungsforschung werden dabei besonders berücksichtigt. Eine international besetzte Vergabekommission hat die Stipendiaten aus mehr als 40 Bewerbern ausgewählt. Die ersten Teilnehmer des Programms kommen aus den USA, Ungarn, Italien und Deutschland. Ihre Projekte widmen sich mehrheitlich religiösen Themenstellungen. So wird sich der amerikanische Nachwuchswissenschaftler Daniel Gehrt (33) mit dem religionspolitischen Engagement der verwitweten ernestinischen Herzogin Dorothea Susanna von 1573 bis 1580 beschäftigen. Patrizio Foresta (29) aus Rom möchte sich mit der Selbstwahrnehmung und dem Amtsverständnis der ersten Jesuiten in Deutschland auseinandersetzen und Jens Bakker (38) von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn will sein Dissertationsthema "Übermittlungswege theologischer Elitebildung im Islam des 17. und 18. Jahrhunderts" voranbringen und dabei besonders die orientalische Handschriftensammlung der Bibliothek nutzen. Ein Stück Universitätsgeschichte wird bei dem Projekt von Dr. Sabine Lütkemeyer (40) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena erforscht. Sie beschäftigen die Widmungs- und Geleitschreiben der Werke des Eobanus Hessus im Kontext des Erfurter Humanismus.
Alle Stipendiaten sollen für die nächsten sechs Monate in Gotha optimale Forschungsbedingungen vorfinden, versicherte Bibliotheksdirektorin Christiane Schmiedeknecht. Für jeden gibt es einen Mentor an der Universität. Eine Verlängerung des Stipendiums um drei Monate ist bei Bedarf möglich, erklärte der Leiter des Programms, Prof. Dr. Peer Schmidt, der an der Universität Erfurt lateinamerikanische und südwesteuropäische Geschichte lehrt.
Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf ein zweites Förderprogramm an der Gothaer Forschungsbibliothek aus dem George-Marshall-Fonds des ERP-Programms. Entsprechend den Vorgaben des Stiftungsgebers, dem der wissenschaftliche Austausch zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ein besonderes Anliegen ist, richtet sich dieses Programm an in den USA tätige Wissenschaftler. Nachdem bereits im Zeitraum 2000-2003 Forscher aus den USA in Gotha ihren wissenschaftlichen Vorhaben nachgehen konnten, ist dieses Programm nunmehr auf weitere drei Jahre verlängert worden. In den letzten drei Jahren benutzten US-amerikanische Historiker, Philosophen und Literaturwissenschaftler u. a. aus Princeton, Los Angeles und Berkeley die Bestände.
Die Bibliothek auf Schloss Friedenstein, deren Gründung unter Herzog Ernst dem Frommen in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückreicht, hat im 20. Jahrhundert eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die von ungeklärten Eigentumsrechten nach der Begründung des Staates und später des Bundeslandes Thüringen bis zur Verschleppung der Bücher in die Sowjetunion reichte. Der Universität Erfurt, die ihren Lehrbetrieb 1999 aufnahm, wurde während der Gründungsphase der Universität die wissenschaftliche Betreuung der ehemaligen Forschungs- und Landesbibliothek auf Schloss Friedenstein anvertraut. Bisher ist wenig bekannt, dass sie einen der bemerkenswertesten Altbestände in der Bundesrepublik Deutschland aufweist und über eine beeindruckende Zahl von Handschriften verfügt.
Weitere Informationen:
http://www.uni-erfurt.de/forschung/herzog-ernst-stipendien/